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Auf den Spuren eines Kshatriya 6 – Eine Reise in die Vergangenheit - in ein früheres Leben - Der Tiger von Mysore

  • Anja
  • vor 2 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit

„Der Tiger von Mysore“ – ein letzter Nachhall jener Kshatriya-Seele

Am nächsten Morgen zieht es mich weiter – nicht nur zu alten Tempeln, sondern an Orte, die Geschichten von Macht, Mut und Verlust erzählen. Nur eine kurze Fahrt von Mysuru entfernt liegt Srirangapatna, zwischen dem grünen Flussufer der Kaveri und den fruchtbaren Feldern. Unter der friedlichen Oberfläche pulsiert Geschichte, spürbar in jedem Stein, jedem Torbogen, jeder alten Mauer.

Hier residierte einst Tipu Sultan, der „Tiger von Mysore“ (1751–1799), ein Mann, dessen Name Legenden und Schrecken zugleich hervorruft. Krieger, Stratege, Reformer, Visionär – aber auch ein getriebener Mensch, ständig bedroht durch die Briten. Mysore im 18. Jahrhundert war geprägt von seinen Schlachten, politischen Reformen und einer beispiellosen Energie.

Die Festung von Srirangapatna, Teil der alten Hauptstadt, wirkt heute zerfallen. Die Tore knarren, einige fehlen, die Mauern tragen Spuren von Kanonenbeschuss, kleine Risse flüstern Geschichte. Überall Wachtürme, Bastionen, steinerne Relikte von Plänen, Schlachten und Machtspielen. Der Geruch von warmem Stein, Staub und der Erinnerung an alte Lagerhallen liegt in der Luft.

Ein Stück weiter liegt die Daria Daulat Bagh, sein Sommerpalast.

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Kunstvolle Holzschnitzereien an den Wänden, bemalte Decken, Türen wie kleine Schatztruhen – alles teilweise zerfallen, einige Räume eingestürzt, Gras wächst durch Ritzen im Boden. Ich stelle mir Tipu Sultan vor, wie er hier durch die prunkvollen Korridore geht, Strategien plant, Briefe diktiert, Soldaten instruiert – ein Mann voller Tatkraft, dessen Leben ein Balanceakt zwischen Furcht, Ehrgeiz und Pflicht war.

Ein örtlicher Führer, ein älterer Mann mit ruhiger Stimme und funkelnden Augen, erzählt Anekdoten: wie Tipu seine Armeen trainierte, moderne Waffentechnologien einführte, die Bevölkerung in Handel und Verwaltung einband und gleichzeitig die Angst seiner Gegner schürte. Ich höre zu, spüre Ehrfurcht und Bewunderung, mische sie mit Staunen – über die Geschichten, wie Tipu angeblich nachts unerkannt durch die Straßen schlich oder die Briten immer wieder überraschte.

Während ich durch die zerfallenen Gänge gehe, über niedrige Mauern und Grundsteine klettere, kann ich mir vorstellen, dass Kshatriya-Krieger, Wächter der Ordnung, vielleicht schon hier patrouillierten – ein Bogen zu den alten Chera-Königen, deren Reich sich von etwa dem 3. Jahrhundert v. Chr. bis ins 12. Jahrhundert n. Chr. über Teile des heutigen Kerala und Tamil Nadu erstreckte. Namen wie Uthiyan Cheralathan oder Chera Perumal Narmudi Cheral tauchen in alten Quellen auf, Herrscher, deren Krieger Loyalität, Mut und Ehre lebten – Eigenschaften, die auch hier in den Steinen und Ruinen nachhallen könnten.

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Tipu Sultan, Talakadu, Chera-Krieger – all diese Geschichten verschmelzen in meinem Kopf. Ein Netz aus Macht, Mut, Flüchen, Legenden und Staub. Ich lehne mich gegen eine zerbrochene Steinmauer, spüre die Wärme des Steins, atme tief durch und lächle. Die Sonne wirft lange Schatten über die zerfallenen Mauern, der Wind trägt die Stimmen der Vergangenheit.

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„Umgeben von zerfallenen Mauern, Grundsteinen und den flüsternden Geschichten der Vergangenheit merkt man: Indien fordert, überrascht und berauscht – und genau deshalb bleibt es für immer im Gedächtnis.“

Nach Stunden zwischen zerfallenen Mauern, Grundsteinen und den Spuren vergangener Macht trete ich schließlich den Rückweg nach Mysuru an. Das Auto schlängelt sich wieder durch das Hup-Orchester, über Mopeds, Kühe, spielende Kinder, bunte Tücher, Staub und Staunen. Ich lehne mich zurück, lasse die Eindrücke sacken, während die Sonne langsam tiefer sinkt.

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